Der Schwarze Schwan blickt zurück

Nun also auch jene, die stolz darauf waren, noch nie eine Förderung gebraucht zu haben: Sie fürchten um ihre Existenz und verzweifeln am Widerspruch zwischen Ankündigung und Umsetzung. Bisher kannten das vor allem Organisationen aus den Bereichen Gesundheit, Kunst, Soziales und Bildung: Millionenbudgets werden medial angekündigt „freigegeben“, aber sie erreichen die Zielgruppe nicht.

Konnte niemand der Regierung erklären, wie Unternehmen kalkulieren müssen? denkt der Schwarze Schwan.
Dabei gibt es doch gerade in Österreich für die Wirtschaft eine eigene gesetzliche Interessensvertretung mit einem ausgeprägten Naheverhältnis zur Regierung. Sind diese Wirtschaftsvertreter völlig untypisch für Unternehmer alle mit 14 Monatsgehältern angestellt?

Der Schwarze Schwan ist es gewohnt, dass sich mit seinem Auftauchen viel verändert.
Dass Datenschutzrichtlinien und persönliche Freiheiten über Bord geworfen werden, wundert ihn nicht. Ebenso wenig, dass Lehrkräfte von heute auf morgen völlig selbstverständlich ihre private IT/TK-Infrastruktur, die sie sich aufgrund der Nicht-Arbeitsplätze an den Schulen in Eigeninitiative aufgebaut haben, auch für den Unterricht nützen müssen.

Was dem Schwarzen Schwan auffällt, ist, was sich trotz seines Auftauchens nicht verändert: Aus bekannten Fakten werden nicht innovative Schlüsse gezogen, sondern altbekannte Vor-COVID-19-Vorgangsweisen werden weitergeführt – wie z.B.:

  • Fakt: Digitalisierung in Organisationen benötigt Ressourcen.
    Hardware verursacht verhältnismäßig die geringsten Kosten. Software kann mehr oder weniger „userfriendly“ gestaltet sein, weshalb die Nutzer die Auswahl mitbestimmen sollten. Jedenfalls muss gewartet, geschult und geübt werden. Zusätzlich benötigt werden also Knowhow, Zeit und Finanzierung. Insbesondere im Bildungsbereich werden diese Ressourcen nicht erst seit dem 16. März privat beschafft. Aber seit damals hat dieses für die Organisation kostenfreie Outsourcing einen Namen: Homeoffice.
    Der Aufbau effektiver struktureller Unterstützung ist noch immer nicht erkennbar.
  • Fakt: Engagement von Menschen gelingt nicht 24/7.
    Wie im Sport braucht es Pausen, damit die Leistungsfähigkeit erhalten bleibt. Der so gerne beschworene Digitalisierungsschub funktioniert nur deshalb „überraschend besser als gedacht“, weil viele das „Digi-Hamsterrad“ ohne Pause schnurren lassen. Die eigene Einschulung, jene der Kinder, das Aufstocken der digitalen Werkzeuge, Kommunikations- und Organisationsarbeit virtuell für das Unternehmen und täglich in der Wohnrealität kombiniert mit wenig räumlichem und zeitlichem Freiraum führt letztlich zu individueller und gesellschaftlicher Erschöpfung statt zu Innovation. 
    Entlastung und praxisrelevante Orientierung statt zusätzlicher Leistungsanforderungen bringen jetzt Erfolgschancen für die Zukunft.
  • Fakt: 2018 maturierten 58 Prozent an Berufsbildenden, nur 42 an Allgemeinbildenden Höheren Schulen.
    Obwohl schon längst die Mehrzahl der Maturanten eine BHS abschließen, werden Schulthemen auch in COVID-19-Zeiten vorrangig aus AHS-Sicht besprochen.
    Gerade jetzt gilt es, eingefahrene Fahrwasser zu verlassen und sich die Verhältnisse aus neuen Blickwinkeln anzusehen.
  • Fakt: Selbstwirksamkeit ist notwendig für den Lebenswillen.
    Kranke, behinderte und ältere Menschen leiden unter Fremdbestimmtheit und Isolation vom Alltagsleben. Trotzdem werden kaum Möglichkeiten der Mitbestimmung für die Betroffenen geschaffen.
    Individualisierung durch Technologie-Einsatz darf nicht nur in der Organisationsnot gestattet, sondern muss eine generelle Linie in der Gesellschaft werden.

Der Schwarze Schwan fliegt weiter. Was wird sich in Österreich geändert haben, wenn er wiedergekommen sein wird?

Bisher ging’s ums Befolgen von Anweisungen, ab sofort brauchen wir alle den weiten Horizont eines fliegenden Schwans, egal welcher Farbe.