Schmiedinnen des Glücks
Alle Jahre wieder – und es ist gegenüber dem 20. Jahrhundert als Fortschritt zu werten – wird der Sommer dazu genutzt, neue Role models vorzustellen: Toughe Frauen, die vorzugsweise in der IT-Branche eine Führungsfunktion inne haben und andere Frauen ermuntern, es ihnen gleich zu tun. Dabei wird auf die höheren Verdienstmöglichkeiten in technischen Berufen und die Teilzeitfalle mit anschließender Altersarmut hingewiesen.
Botschaft: Jede ist ihres Glückes Schmiedin.
Fehler-Warnungen
Eindringlich werden Frauen vor den möglichen Folgen ihrer Lebensentscheidungen in jungen Jahren gewarnt:
- Falsche Wahl von Ausbildung und Beruf,
- falsche Partnerwahl,
- unbezahltes Arbeiten in Haushalt und Familie,
z.B. aufgrund des Pflegens von Kindern – hochriskant, wenn Frau das Kind alleine erzieht – und von kranken bzw. älteren Angehörigen.
Seltener wird erwähnt, dass auch das alltägliche Kochen, Putzen, Wäsche waschen etc. Zeit und Kraft kosten und in Partnerschaften hauptsächlich von den Frauen erledigt werden.
Da auch für Frauen der Tag nur 24 Stunden hat, haben Frauen für ihren Beruf und für ihre Weiterbildung meist weniger Zeit und Kraft als die von ihnen gratis umsorgten Männer.
Wer zu viel unbezahlt gearbeitet hat, hat natürlich ein niedrigeres Lebenseinkommen und – unabhängig von einer Mutterschaft wohlgemerkt – monatlich eine über 1.000 Euro niedrigere Alterspension.
Selbst schuld?!
Bemerkenswert ist, dass auch 2021 noch so getan wird, als müssten Frauen sich nur anders entscheiden und wären deshalb selbst schuld an ihrem finanziellen Unglück. Dabei belegen diverse Daten massive strukturelle Nachteile für Frauen.
Logische Konsequenz
Was ist daher jungen Frauen im Sinne der individuellen Risikominimierung und Nutzenmaximierung zu raten?
1. Eine technische Ausbildung,
2. kein sozial-orientierter Beruf,
3. streng getrennte Haushalte in Lebensgemeinschaften,
4. keine Kinder und
5. keinesfalls die Pflege von kranken bzw. alten Angehörigen zu übernehmen.
Folgen für Gesellschaft
Die Folgekosten solcher Lebensplanung wären für die Gesellschaft enorm:
In den Gesundheits-, Pflege- und Sozialberufen noch mehr Bedarf bei noch größerem Fachkräftemangel, eine noch geringere Geburtenrate und damit weniger wirtschaftliche Impulse und Aktivitäten.
Wanted: Strukturwandel!
Sämtliche Überlegungen, die unbezahlte Arbeit auf Basis von individuellen Entscheidungen besser zwischen den Geschlechtern aufzuteilen, z.B. durch gemeinsame Elternteilzeit, gebe ich eine geringe Erfolgschance. Denn keiner dieser Ansätze, wie z.B. Väterkarenz, wurde ein Massenphänomen. Wie ich denke, aus gutem Grund: Menschen müssen in erster Linie in gegebenen Strukturen ihren Alltag bewältigen, schließen dabei Kompromisse und können auch nicht in die Zukunft schauen. Wer weiß schon, ob er oder sie zu den 60% Geschiedenen gehören wird oder nicht?
Es liegt an einer verantwortungsbewussten zukunftsorientierten Politik, ideologiebefreit Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen auch Frauen für ihren Dienst an der Gesellschaft anerkannt und fair entlohnt werden.
Zivil- und Grundwehrdiener arbeiten ja auch nicht umsonst.
Liebe Sabine, Du sprichst hier ein wichtiges Thema für Wirtschaft und Gesellschaft an. Bis zu einem gewissen Grad sind Frauen „ihres Glückes Schmied-in“. Denn es braucht Kooperationen und Vertrauen vor allem auch unter den Frauen. Darüber hinaus braucht es auch Kooperation und mehr Verständnis zwischen den Geschlechtern (wenn hier Frauen angesprochen werden, dann geht es in dieser Debatte um Männer). Es hilft, wenn beide Geschlechter sowohl im Beruf als auch im Alltag in einigen Bereichen vermehrt „in die Schuhe des anderen treten“. Der Weg, der in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik dahingehend eingeleitet wurde, geht sicher in die richtige Richtung, bis jedoch die großen, nachhaltigen Erfolge eintreten, wird es noch eine Weile dauern. Bis dahin können wir – Frauen und Männer – einiges zum gesellschaftlichen Wandel und den von Dir angesprochenen Strukturwandel persönlich beitragen.
Warten, bis eine verantwortungsbewusste, zukunftsorientierte Politik mit ideologiebefreit Rahmenbedingungen geschaffen wird, ist zu passiv. Wie wäre es mit einem Think-Tank von Frauen für Frauen, in dem pragmatisch und verantwortungsbewusste, zukunftsorientierte Konzepte entwickelt werden, die finanzierbar sind und die Gesellschaft und die Wirtschaft wirklich weiterbringen? Solche Konzepte kann man professionell und gehirngerecht kampagnisieren.
Es gibt so viele tolle Ansätze und noch mehr kluge und kompetente Frauen!
In diesem Zusammenhang möchte ich beispielsweise auf Kate Raworth und ihre ‚Doughnut-Economics‘ verweisen:
https://www.kateraworth.com/doughnut/
Wir hatten in unseren Business Frühstück mit VIP Frauen schon zahlreiche Beispiele, wie sich diese Angelegenheiten und mithilfe von beiden Geschlechtern ideal lösen lassen. Ich glaube, es braucht nicht nur Role Models in der Karriere, sondern auch Role Models im Hinblick auf die Gestaltung des Lebens.
Leider wird auch in der Pensionsdebatte noch immer vom linearen Lebensverlauf ausgegangen, wie er bis heute – wenn überhaupt – nur Männern mehrheitlich möglich ist:
„Ein heute 23-jähriger, der sein Leben lang durchschnittlich verdient, bekommt etwas gleich viel Pension wie jemand, der 1940 geboren wurde.“
Mehr Info: https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/2116391-Was-das-Pensionssystem-ins-Wanken-bringt.html