Eliza, Miriam und Rabia blicken mit „Girl’s Power“ in die Zukunft

Von März 2019 bis Februar 2020 arbeiteten drei junge Wiener Frauen mit unterschiedlichen Herkunftskulturen an ihrer Diplomarbeit an einer Favoritner Berufsbildenden Höheren Schule. Als Arbeitsschwerpunkt wählten sie „Frauen in der Arbeitswelt mit besonderem Fokus auf die Technik“, als Titel wählten sie „Girl’s Power“. Ihr gemeinsames Ziel war es, „Frauen ein anderes Bild über die männerdominierte Technik-Branche zu verschaffen, so dass sie einen Karriereweg in diesem Gebiet in Erwägung ziehen können. Frauen sollen selbstbewusst in das Arbeitsleben eintreten, dies gelingt mit dem Wissen über ihre Rechte.“ Dazu organisierten sie im Herbst 2019 eine interaktiv gestaltete Veranstaltung in Zusammenarbeit mit Wiener Unternehmen, die Mädchen für eine technische Ausbildung gewinnen wollen.

Ihre Matura im Mai/Juni 2020 war geprägt von dem von COVID-19 ausgelösten harten Lockdown. Alle drei haben erfolgreich bestanden und verfügen nun über Erfahrungen am Arbeitsmarkt und in weiterführenden Bildungsinstitutionen. Bei allen dreien sind große Maturafeiern und -reisen ausgefallen und alle leiden unter der virusbedingten Isolierung in zunehmenden Maße.

Im zweiten Teil gibt das Girl’s Power-Team Auskunft über die eigenen beruflichen Wünsche,  überlegt, wer und was ihnen bei der Zielerreichung helfen kann und erläutert, welche Wünsche sie an die 50+-Generation, die heute vorwiegend die wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Entscheidungen trifft, haben. Zum Abschluss gibt es Tipps für ihre Eltern-Generation.

Was ist für Sie „Girl’s Power“?

Eliza K.: Girl’s Power bedeutet für mich, dass Frauen in der heutigen Gesellschaft und in männerdominierten Berufen zusammenhalten müssen. In vielen Filmen oder Werbungen werden Frauen als Objekte gesehen, deswegen ist es wichtig, dass Frauen zusammenhalten und die ungerechte Behandlung auf schlauen Wegen aus der Welt beseitigen. Zum Beispiel: die Rechte der Frauen erklären, damit keine weiteren Missverständnissen entstehen. Es ist wichtig, dass Frauen bewusst wird, dass auch sie das Recht auf ein gutes Leben und gerechte Arbeitsbedingungen haben! Dies wollten wir mit unserer Diplomarbeit und mit unserer Veranstaltung für Mädchen darstellen.

Miriam L.: “Girl´s Power” bedeutet für mich, Mädchen und Frauen dazu zu motivieren, ihre Ziele zu verfolgen und zu erreichen. Sei es beruflich oder privat. Vor allem bei der Berufswahl wird uns von der Gesellschaft schon von klein auf vermittelt, welche Berufe typischer Weise Frauen ausüben und welche Männer. „Girl´s Power“ bedeutet diesen Kreislauf zu zerstören und das zu machen, was man wirklich selbst möchte und nicht nur weil es die Gesellschaft so vorgibt. Gleiche und gerechte Bezahlung für dieselbe Position, ob Frau oder Mann, sollte selbstverständlich sein.

Rabia G.: „Girl’s Power“ bedeutet für mich, dass Frauen in jeder Position ihre Stärke zeigen und eine hervorragende Arbeit leisten. Sei es als Ehefrau, Mutter, Boss oder Berufstätige. Jedoch werden Frauen in der heutigen Gesellschaft in vielen Bereichen nicht gerecht behandelt, z.B. nicht gerecht entlohnt. Letzte Woche habe ich einen Artikel gelesen, dass die rechtskonservative Regierungspartei LDP (Japan) künftig weibliche Abgeordnete zu den Sitzungen des Vorstands einladen will, aber das Recht zu Sprechen kriegen sie trotzdem nicht. Dass wir im 21. Jahrhundert noch solche Themen haben, ist zutiefst traurig. Auch wenn wir in Österreich weiter sind, ist es erschreckend, dass es in einem hochentwickelten Industrieland noch so viel Frauendiskriminierung gibt.

Was wünschen Sie sich von Ihrer persönlichen Zukunft und welche Herausforderungen erwarten Sie?

Eliza K.: Ich möchte eine der obersten Positionen in einem Unternehmen oder in meinem eigenen Unternehmen. Es wird sehr schwer sein, da ich immer mit dem Spruch: „Du bist eine Frau, du kannst im Endeffekt eh nix.“ kämpfen werde. Jedoch bin ich bereit mich damit auseinander zu setzen, da ich den Männern zeigen möchte, dass auch Frauen was im Köpfchen haben.

Miriam L.: Ich will selbstständig und finanziell unabhängig werden. Meine eigene Chefin sein, Entscheidungen treffen und mich weiterbilden in den Bereichen, die mich interessieren und mich weiterbringen.

Rabia G.: Ich würde gerne mein eigenes Unternehmen gründen und finanziell unabhängig sein. Ich möchte etwas machen, was mir Spaß macht und für die Generation nach mir ein Vorbild sein. Natürlich werde ich von jeder Seite verschiedene Meinungen hören. Es wird Frauen und Männer geben, die mir sagen, dass ich das nicht hinbekommen werde. Aber wenn man an etwas glaubt und sich dabei sicher fühlt, sollte man auf niemanden hören, denn die Menschen, die dich runterziehen wollen, sind nur eifersüchtig und können deinen Erfolg nicht ausstehen.

Was und wer könnte Ihnen aus Ihrer heutigen Sicht helfen, Ihre persönlichen Ziele zu erreichen?

Eliza K.: Die Einzige, die mir helfen kann, meine Ziele zu erreichen, bin ICH selbst und natürlich der große Support von meinen Eltern.

Miriam L.: Das Einzige, das man braucht, ist Willensstärke und Vertrauen zu sich selbst. Selbstverständlich wird mir auch meine Familie helfen, soweit es geht. Gebührenfreie Ausbildungs- und Studienangebote helfen bestimmt auch weiter sowie das Internet selbst. Heutzutage hat man Zugriff auf so viel Wissen und das soll man auch weiterhin so nützen.

UnternehmerInnen sollen auf gerechte und gleiche Bezahlung von Frau und Mann Wert legen und PolitikerInnen sollen Druck ausüben, dass dies auch so umgesetzt wird.

Rabia G.: Man braucht nur die Familie und sich selbst, wenn man etwas im Leben erreichen will. Zuerst an sich selbst glauben und danach kommt alles von alleine. In Österreich gibt es viele Ausbildungsmöglichkeiten und Unterstützungen, was in vielen anderen Ländern nicht der Fall ist. Man kann sich als ein Österreicher/eine Österreicherin sehr glücklich schätzen, was dieses Thema betrifft.

Inwiefern macht es für Sie als junge Wienerinnen einen Unterschied, ob Frauen in Entscheidungsfunktionen in der nationalen und internationalen Wirtschaft tätig sind? 

Miriam L.: Ich finde es sogar sehr wichtig, dass Frauen in Entscheidungsfunktionen tätig sind. Egal ob national oder international, kein Mann kann für uns Frauen Entscheidungen treffen, die beispielsweise nur uns betreffen, ohne eine Frau in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen.

Rabia G.: Es macht immer und in jedem Thema einen Unterschied. Frauen fühlen unterschiedlicher als Männer und Männer fühlen anders als Frauen. So kann ein Mann nicht für eine Frau und eine Frau nicht für einen Mann entscheiden. Es müssen bei einer Entscheidung beide tätig sein, damit man zu einem fairen Entschluss kommt.

Die meisten politischen und wirtschaftlichen Entscheidungs-trägerinnen weltweit und auch in Österreich sind älter als 50 Jahre: die erste US-Vizepräsidentin ist 56 Jahre, die erste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist 62, die erste deutsche Bundeskanzlerin war zu ihrem Amtsantritt 51 Jahre alt und ist heute 66.
Was wünschen Sie sich von dieser Generation 50+ – einerseits von den Frauen und andererseits von den Männern, die wohl noch lange den größeren Anteil an Führungspositionen stellen werden?

Eliza K.: Frauen sollten sich mehr trauen und überzeugter von ihren Fähigkeiten und ihrem Potential sein. Männer müssen den Frauen Chancen geben und sie nicht mit überkritischen Augen anschauen.

Miriam L.: Frauen an die Macht. Die Gesellschaft muss den Kindern von klein auf vermitteln, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen haben. Und Frauen sollen sich einfach trauen und das anstreben, was sie wollen, ohne sich von den Männern einschüchtern zu lassen.

Rabia G.: Ich wünsche mir von dieser Generation, dass die Frauen mehr Dominanz zeigen und sich mehr trauen. Frauen sollen sich nicht von den Männern einschüchtern lassen. Sie sollen immer das machen, woran sie glauben, egal was die anderen sagen.

Als junger Mensch bekommt man sehr viele Tipps von den Erwachsenen. Gleichzeitig beobachten Sie auch die Schwierigkeiten, die Erwachsene mit der Bewältigung ihrer Lebensaufgaben haben. Welche Tipps haben Sie da für Ihre Elterngeneration?

Eliza K.: Es ist wichtig, sein Leben auch zu genießen und nicht in Depressionen verfallen. Im Endeffekt sind wir alle Menschen und jeder hat seine Probleme. Eltern sollten auch den Rat der Kinder annehmen, ganz egal zu welchem Thema. Die jüngere Generation hat in den gegenwärtigen Themen mehr Ahnung als die ältere Generation.

Miriam L.: Sich genug Zeit nehmen, zu entspannen und sich nicht überarbeiten. Das Leben ist auch zum Genießen da. Kommunizieren und sich aussprechen, falls es Probleme gibt. Das machen, was einen glücklich macht.

Rabia G.: Meine Tipps für meine Elterngeneration wären:

  • Den Kindern immer zuhören und ihre Meinung respektieren. 
  • Sich Zeit für die Kinder nehmen und ihnen die Welt zeigen. 
  • Respektvollen Umgang beibringen und viel Liebe geben, damit sie das auch dann weitergeben können.
  • Ihnen klarstellen, dass man mit dem Älterwerden mehr Verantwortungen trägt und sie so gut wie möglich auf das zukünftige Leben vorbereiten. 
  • Zuhören beibringen und ihnen ebenfalls zuhören.
  • Probleme immer mit der Ruhe lösen. 
  • Gewaltfrei erziehen und ihnen erklären, dass Bildung sehr wichtig ist.

Lesen Sie hier den ersten Teil des Interviews, in dem Eliza, Miriam und Rabia berichten, warum sie sich in ihrer Diplomarbeit mit Frauen in der Arbeitswelt beschäftigt und welche Erkenntnisse sie daraus gezogen haben. Sie erzählen auch, was ihnen in Wirtschaft und Gesellschaft während der Pandemie aufgefallen ist.

Kurzbeschreibung der Diplomandinnen anhand ihrer Rollen und Themenschwerpunkte für die Diplomarbeit und ihre jetzigen Tätigkeitsbereiche

Eliza K.
trommelte das Team zusammen und hatte den Überblick über die bevorstehenden Ereignisse. Zu ihren Aufgabengebieten gehörten die Strukturierung und Kontrolle der Diplomarbeit, sowie die Weiterleitung der Informationen an die Projektbetreuerin.

Themenschwerpunkte: Stellung und Rechte von Frauen in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt.

Derzeit arbeitet Eliza beim Samariterbund als Betreuerin für Covid-19 infizierte Verdachtsfälle, sowie K1-Patienten.

Miriam L.
fungierte als Stütze der Leitung und setzte kreative Ideen um. Zu ihren Aufgabengebieten zählten englische Bestandteile dieser Diplomarbeit und sie war die Schnittstelle zu den Projektauftraggebern.

Themenschwerpunkte: Förderungsprogramme, Ausbildungsprogramme bzw. Ausbildungsmöglichkeiten für technikinteressierte Frauen

Derzeit beschäftigt sich Miriam mit Weiterbildungsmöglichkeiten an einer Uni oder FH und sucht nach einem geeigneten Job.

Rabia G.
war diejenige, die auch in brenzligen Projektphasen einen klaren Kopf im Team behielt. Zu ihren Aufgabengebieten zählten die Strukturierung der Diplomarbeit und Recherchetätigkeiten.

Themenschwerpunkte: Arbeitszeitverteilung von Männern und Frauen, Gender Pay Gap, Vergleich und Analyse von Gehältern und Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt.

Derzeit studiert Rabia an der Universität Wien Betriebswirtschaftslehre und arbeitet geringfügig in einem Bekleidungsgeschäft als Sales Advisor.