Was nützt es…

„Was nützt,“ fragt mich eine Freundin, „was nützt das Binnen-I, einer Frau, wenn sie von ihrem Mann geschlagen wird?“

Klar, kein Binnen-I hat in einer akuten Bedrohung eine Frau je geschützt. In der konkreten Einzelsituation gibt es auf den ersten Blick keinen Zusammenhang zwischen Sprache, gesellschaftlicher Diskussion und individuellem Leben.

Andererseits hängt der Gestaltungsspielraum, den Frauen wie Männer haben, von den Werthaltungen und Einstellungen der Gesellschaft, in der wir leben, ab. Denken wir nur an Biografien im nationalsozialistischen Deutschland oder im China Maos oder unter dem Apartheid-Regime in Süd-Afrika: Wie viel Potential ging verloren, weil jemand der falschen Gruppe angehörte, und wie viele Lebensträume wurden deshalb nie Realität?

Denken wir auch an die Lebensverläufe von schwarzen Menschen in den USA der 1960er Jahre und heute: Ein schwarzer Präsident war vor 50 Jahren völlig undenkbar. Und doch ist er heute Realität, weil viele Menschen die Ungleichbehandlung immer wieder thematisiert, auf Missstände hingewiesen und eine Verbesserung gefordert haben.

Deshalb hilft jeder Frau, die geschlagen wird, die Diskussion um die Gleichstellung der Frau, denn – langsam aber sicher – werden Gesetze geändert,  Schutzmöglichkeiten für Frauen geschaffen und Täter immer mehr gesellschaftlich geächtet.

Das ist das Klima, in dem sich eine Frau wehren und selbständig machen kann – nur die Diskussion verhilft zu Strukturen, durch die sich Frauen wehren können.

Wichtig ist, dass alle Möglichkeiten der Ausdrucksformen für das Thema Gleichstellung von Frauen und Männern genützt werden: Das Binnen-I ist dabei nur eine Form, aber eine ganz wichtige, weil Sprache Denkweisen und Zustände abbildet.

Letztendlich sind alle Bemühungen, das Gleichstellungs-Thema sichtbar zu machen – Binnen-I, Quote, Statistiken zur Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, Einkommensberichte etc. etc. – notwendig, um mehr Fairness zwischen den Geschlechtern zu realisieren. So wird Bewusstsein bei allen verändert: beim schlagenden Mann, bei der geschlagenen Frau und in der Gesellschaft – und das nützt  der einzelnen Frau ihre Lebensträume zu verwirklichen.