Wie bringt man die vollen PS auf die Straße?

Während bei GM in den USA erstmalig eine Frau das Ruder übernommen hat, denkt ein Top-Mann der Autoindustrie laut über seine Nachfolger nach: Renault-Nissan-CEO Carlos Ghosn wünscht sich für Nissan einen Japaner (im Original: „a Japanese national“) als Chef für die Zeit nach ihm.

Der Reporter fragt nicht nach und für Ghosn ist es auch kein Thema, aber warum ist es in Japan nicht denkbar, dass eine Frau den Chefsessel einnimmt, so wie in den USA? Und das, obwohl Ghosn Frauen bei Nissan sehr fördert?

Weil die Tradition in Japan Frauen grundsätzlich keine berufliche Karriere ermöglicht: Spätestens mit der Eheschließung ziehen sich Frauen meist ins Private zurück. Nicht weil sie es unbedingt wollen, sondern weil sie kaum andere Chance haben. Trotz Top-Ausbildung können sie keine langfristige Karriere anstreben – selbst wenn sie es wollten – , denn die ganze Gesellschaft ist auf dem arbeitsteiligen Prinzip – Männer im Beruf, Frauen in der Familie – aufgebaut. Es gibt weder Anerkennung noch eine entsprechende Infrastruktur für berufstätige Frauen. Damit sind Frauen unabhängig von ihren Potentialen in ihrem Handlungsspielraum individuell enorm eingeschränkt.

Volkswirtschaftlich gesehen ist es ein großer Verlust, und zwar in zweifacher Hinsicht: Die Investition in die Ausbildung der Frauen kommt nie zu einem ROI und der Wirtschaft gehen differenzierte Sichtweisen und damit Innovationspotential verloren.

Auch wenn wir in den USA nicht die volle Gleichberechtigung (Gender Gap Report Rang 6) der Frauen beobachten können, so ist es doch viel selbstverständlicher als in Japan (Gender Gap Report Rang 104), dass sich Frauen im Berufsleben in allen Ebenen engagieren. (Schweiz Platz 23, Deutschland 46, Österreich 69 – die Ränge beziehen sich auf „Economic Participation and Opportunity“)

Dieser Vergleich zeigt, dass der individuelle Erfolg von Frauen eine verlässliche gesellschaftliche Basis benötigt.
Deshalb genügt es nicht, Frauen individuell eine gute Ausbildung zu ermöglichen und sie individuell zu fördern.

Frauen benötigen für ihre gleichberechtigte Teilhabe ein von Fairness und Transparenz getragenes gesellschaftliches Bewusstsein und Entlastung bei Haushaltsführung und Kinderbetreuung – moralisch und hands-on.  Ähnlich wie ein Auto nur dann seine vollen PS auf die Straße bringt, wenn die Autobahn entsprechend ausgebaut ist.