Fairplay in der Krise – vor allem für EPU!

Sonja, Deine berufliche Spezialität ist das Management von Veränderungsprozessen. Dabei helfen Dir Deine Lebenserfahrung und Deine vielfältigen Erfahrungen im internationalen Business. Erst seit einiger Zeit wieder ganz in Österreich zurück, bist Du seit März 2020 hochpolitisch, aber ohne jegliche Parteien-Unterstützung öffentlich aktiv geworden – warum?

Die Situation der Solo-Entrepreneure und aller selbstständig Erwerbstätigen in Österreich ist seit dem 16. März fatal! Jedes zweite Unternehmen im Land ist ein Einpersonen-Unternehmen, mehr als die Hälfte (!) davon sind Frauen. Das Branchenspektrum ist enorm breit, die Rahmenbedingungen, Deckungsbeiträge und Kostenstrukturen sind höchst unterschiedlich. Aber niemand kann mehrere Wochen als Unternehmen überleben, wenn es nur Ausgaben, aber keine Einnahmen gibt. Da geht es den EPU wie den KMU und den ganz Großen wie den Austrian Airlines. Nur dass die meisten bei den Hilfsmaßnahmen durch die Finger schauen!

Als Neuro-Leadership-Expertin gehst Du immer davon aus, dass die Leute genug Potenziale haben, um sich selbst zu helfen. Warum hast Du in der Corona-Krise als ersten Schritt möglichst viele Betroffene miteinander vernetzt?

Selbstständig Erwerbstätige sind es gewohnt, Krisen selbst zu bewältigen. Aber diese hier ist für Einzelkämpfer einfach zu groß, auch weil sie global ist. Jetzt benötigen wir Netzwerke, Förderer, Mentoren und Multiplikatoren. Schon Ende März habe ich über 4.000 Betroffene unter dem Label „EPU Österreich“ aktivieren können.

Offensichtlich machst Du ein Angebot, das viele als nützlich ansehen. Aber eigentlich gibt es doch eine Interessensvertretung für Unternehmen: die Wirtschaftskammer…

… die leider Alleinunternehmer, denen das Arbeiten von der Regierung verunmöglicht wurde, „Hilfsbedürftige“ nennt!

Dabei verteilt die WKO keine Spenden, sondern Steuergeld, das auch von den Betroffenen erwirtschaftet wurde. 2017 waren das 4 Prozent des BIP. Das bedeutet, dass EPU mehr erwirtschafteten, als das gesamte Bildungswesen 2017 gekostet hat.

Vor allem beim ZiB2-Interview am 20.4.2020 mit Generalsekretär Abg.z.NR Karlheinz Kopf hast Du Dich als Unternehmerin nicht gut vertreten gefühlt?

Ja, weil sich da ein hauptberuflicher Vertreter der Unternehmerschaft damit gerühmt hat, 140.000 Härtefallfonds-Anträge der Phase 1 abgewickelt zu haben. Das ist keine Leistung, wenn man bedenkt, dass es rund 540.000 selbstständig Erwerbstätige in Österreich gibt, die von den Maßnahmen der Regierung betroffen sind.

Im Schnitt wurden also 8.750, von den Betroffenen selbst elektronisch erfasste, Anträge automatisiert pro Tag verarbeitet. Das ist eine Leistung, die jeder durchschnittliche Server schaffen sollte.

Immerhin wurden doch lt. WK0 in der ersten Phase über 120 Millionen Euro „Soforthilfe“ ausbezahlt.

Mit einer einfachen Division stellt man fest, dass 28% aller Betroffenen im Schnitt 857 Euro erhalten haben – und nicht die hartnäckig kolportierten 1.000 Euro.

War die zweite Phase dann für die Unternehmen besser?

Leider nicht wirklich. Denn die WKO weiß offensichtlich nicht, dass es sich bei selbstständig Erwerbstätigen um Einnahmen-Ausgaben-Rechner handelt. Da wird eine Einzahlung verbucht, wenn sie eintrifft.

Damit entscheidet die Zahlungsmoral der Kunden über die Höhe der Ansprüche:

Zahlen Kunden einen Tag vor dem definierten Zeitfenster, hat ein Betroffener Glück, da im gemeinten Zeitraum weniger Zahlungseingänge sind. Zahlen Kunden einen Tag danach, hat man einfach Pech und erhält entsprechend weniger.

Karlheinz Kopf meinte im Interview auch, dass es für einen Unternehmer unwichtig sei, die Höhe der Zahlung aus dem Fonds zu kennen. Wie siehst Du das?

Unternehmerinnen und Unternehmer haften ja für ihr Tun und sind per Gesetz zur kaufmännischen Sorgfalt verpflichtet. Das gilt ganz besonders in einer Krisensituation! Wenn über die Weiterführung des Unternehmens entschieden werden muss, muss ich wissen, mit welcher Summe aus dem Härtefallfonds ich rechnen kann.

Wenn man den „Vorschuss“ aus Phase 1 gemäß den Richtlinien in Abzug bringt, erhalten die Selbstständigen aus Fallberechnungen, die auf der WKO-Homepage waren, ….

  • Tischlermeisterin: 603,33 €
  • Friseur: NULL €
  • Grafik-Designerin: NULL €
  • Physiotherapeutin: NULL €
  • Gewerbetreibender: 216,67 €

Kein einziges WKO-Beispiel kommt auch nur annähernd an die hartnäckig über die Medien verbreiteten 2.000 Euro heran. Und als Interessenvertreter der Wirtschaft sollte der Generalsekretär die Bedeutung von Planungssicherheit eigentlich kennen.

 

Du kannst also den Jubelmeldungen der WKO zur Unterstützung von Unternehmen in der Krise nicht so richtig zustimmen?

Begleiten wir den Gewerbetreibenden noch ein wenig weiter:
Nehmen wir an, dass er monatlich 2.500 € Fixkosten hat.

Bis zum 20.4.2020 hat er aus dem Härtefallfonds – wie Karlheinz Kopf betonte – eine „Unterstützung für die privaten Lebenshaltungskosten“ von 1.000 € erhalten, betrieblich fallen 2.500 € Kosten an. Er erhält in der Phase 2 – wiederum für sein Privatleben –  216, 67 € – und die betrieblichen Fixkosten belaufen sich bereits auf 5.000 €.

Bis der Gewerbetreibende einen Zuschuss für seine betrieblichen Fixkosten erhält –  frühestens Anfang Mai – betragen die betrieblichen Fixkosten bereits auf 7.500 €. Für sich privat hat er bis dahin ganze 2.433,34 € erhalten.

Kurz: Die vollmundig angekündigte „Koste-es-was-es-wolle-Soforthilfe“ verfehlt die Unternehmenspraxis bei weitem! Dass das dann vom obersten Interessensvertreter dieses Gewerbetreibenden und 499.999 weiterer Betroffener als Erfolg verkauft wird, empört mich!

Du hast auch mit dem Rechtsanwalt Dr. Georg Zanger, dem Steuerberater Mag. Andreas Knipp und dem Wirtschaftsforscher Dr. Stephan Schulmeister Kontakt aufgenommen. Warum?

Ich wollte helfen, einen gangbaren Vorschlag entwickeln, wie die sehr große Gruppe der betroffenen Solo-Entrepreneure rasch und unbürokratisch zu echter Hilfe kommen könnte. Dabei sollte gleichzeitig die WKO entlastet werden und keinem anderen Marktteilnehmer Nachteile entstehen. Die Forderungen finden Sie hier. 

Ohne EPU und deren Angebot und Nachfrage funktioniert Wirtschaft in Österreich einfach nicht. Auch nicht für mittelständische und große Unternehmen. Wenn die EPU insolvent werden, fehlt das Fundament der Branchen, vor allem in den Regionen. Davon bin ich überzeugt und deshalb setze ich mich so für diese wichtige Gruppe Wirtschaftstreibender ein. 

Vielen Dank für die klaren Worte und die eindrucksvollen Rechenbeispiele, liebe Sonja! Wohin können sich Interessierte wenden, wie können sie mit Dir Kontakt aufnehmen?

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Sonja M. Lauterbach  ist Unternehmensberaterin mit dem Schwerpunkt Angewandtes Neuro-Leadership und Gründerin und Administratorin der Gruppe „EPU Österreich – Gemeinsam durch die Krise“.