Die weibliche Wirtschaft

Endlich auch in Österreich! „Die Wirtschaft wird weiblicher“, verkündet erfreut der Präsident der Wirtschaftskammer. Als Beleg dafür nennt er den Anteil von Frauen bei Neugründungen: 45,3 Prozent! (Ohne Pflegekräfte, wie nicht ohne  Grund extra betont wurde – Pflegekräfte gelten nicht als „richtige“ Unternehmerinnen, sondern in diese Form der Erwerbstätigkeit durch Umstände und Gesetz gedrängt.).

Die Wurzeln

Abgesehen von der Grammatik war die Wirtschaft im Deutschen (und weltweit) immer schon weiblich: Der Ursprung des Managements und allen Wirtschaftens liegt in der selbstversorgenden Hauswirtschaft und die ist ohne die Arbeit von Frauen als Entscheiderinnen über die Haushaltsorganisation inkl. Anbau und Verarbeitung von Nahrungsmitteln nicht denkbar. Für diese Erkenntnis müssen wir nicht in die Steinzeit zurückgehen: Die Serie „Bauer sucht Frau“ zeigt teils berührend, wie gesucht die Arbeit von Frauen in der Landwirtschaft auch in Österreich noch ist.

Wie wichtig eine verlässliche und sparsame Haushaltsführung auch für den Arbeitserfolg von Männern immer schon war, kann man beispielsweise im Briefverkehr von Christiane und Wolfgang von Goethe nachlesen. Ebenso sieht man dort, wie eine tüchtige, mutige, erwachsene Frau als „liebes Kind“ trotz ihrer wirtschaftlichen Erfolge auf der inferioren Stellung gehalten wird.

Ähnliche Konstellationen sind auch in adeligen Familien gut dokumentiert wie z.B. bei den Habsburgs und Schwarzenbergs, wenn die Männer Kriege führten und die Frauen die Leitung der Wirtschaftsbetriebe übernahmen.

Unternehmerinnen

Von der griechischen Antike über das Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert gibt es immer wieder Frauen, die alleine erfolgreich unternehmerisch tätig waren – trotz diverser gesetzlicher Restriktionen wie männliche Vormundschaft, Verbot der Erwerbstätigkeit u.ä.  Die Biografie der Anna Sacher zeigt sehr eindrücklich, wie viele rechtliche und gesellschaftliche Hindernisse eine Frau überwinden musste, um als Unternehmerin eigenständig tätig sein und ihr Vermögen selbstständig verwalten zu können.

Diesen Einzelfällen ist die Vielzahl an Frauen hinzuzufügen, die gemeinsam mit ihrem Ehemann Unternehmen geleitet haben bzw. leiten, wie z.B. die Ehefrauen der Zunftmeister im Mittelalter oder die Ehefrauen des Installateurs und des Tischlermeisters um die Ecke.

Lohnarbeit

Zur Wirtschaft gehören aber nicht nur unternehmerisch tätige Frauen und Frauen, die die Haushaltsführung und damit unbezahlt die unabdingbare „Reproduktionsarbeit“ für die „Produktivwirtschaft“ leisten. Wirtschaft benötigt auch die „Lohnarbeit“ von Frauen als Mitarbeiterinnen in Produktions- und Dienstleistungsunternehmen.

Verschiedene gesetzliche Regelungen haben Frauen dabei aus ausbeuterischen Verhältnissen wie bei den „Wienerberger Ziegelbehm“, der Heimarbeit oder den „Dienstmädchen“ herausgeholt. Trotzdem besteht noch immer eine Ungleichbehandlung Arbeitsbewertung, z.B. der Definition „genaues Arbeiten“ einer Näherin gegenüber der genauen Arbeit eines Feinmechanikers. Unterschiedliche Bewertungen in Kollektivverträgen schreiben Unterschiede in der Entlohnung fest.

Neue Zeiten – Alte Probleme

Wirtschaft war und ist demnach immer schon auch weiblich geprägt gewesen. Wenn wir heute einen Anstieg bei den Unternehmensgründungen durch Frauen sehen, so ist dies für sich noch kein Erfolg.

Vielfach versuchen Frauen durch die Selbständigkeit die Vereinbarkeitsproblematik von Familie und Beruf zu lösen oder mangelnden Karriereperspektiven in den Unternehmen zu entkommen.

Die grundsätzlichen Herausforderungen der fehlenden Gleichbewertung ihrer Arbeit und der vielen strukturellen Schwierigkeiten z.B. familiäre Verantwortung mit der beruflichen zu vereinbaren, bleiben.

„73% der unternehmerisch aktiven Mütter mit betreuungspflichtigen Kindern übernehmen die Betreuung dieser selbst – dem gegenüber stehen nur 35% der unternehmerisch tätigen Väter. Rund 42% der Unternehmerinnen fühlen sich durch die Mehrfachbelastung beeinträchtigt.“ berichtet die Wirtschaftskammer Studienergebnisse.

So  haben die von Frauen gegründeten Unternehmen statistisch gesehen weniger Kapital zur Verfügung, bleiben hinsichtlich Mitarbeiterzahlen und Umsatz kleiner und repräsentieren damit all das, was seit der Antike für Frauen bei ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten hemmend wirkt:

Unbezahlte Familienarbeit (Haushaltsführung, Kinder- und Altenpflege), geringere Entlohnung bzw. Honorarzahlungen, weniger Akzeptanz und Unterstützung von gesellschaftlichen Strukturen.

Der Gender Pay Gap geht also im Gender Investment Gap weiter: „Von Frauen gegründete Start-ups machen mehr Umsatz als jene von Männer, bekommen aber trotzdem weniger Förderung beziehungsweise haben geringere Chancen, überhaupt welche zu bekommen. Oft werden die Ideen gar nicht verstanden und den Frauen vor allem kein technisches Know-how zugestanden. Das 92 Prozent der Investoren Männer sind, ist nur eine von mehreren Erklärungen.“ beschreibt der KURIER das Problem.

Ankündigungspolitik

Wirtschaft war also immer schon auch weiblich, weil Frauen als Produzentinnen, Organisatorinnen und Konsumentinnen mit ihrer Arbeit und ihren Entscheidungen immer die Wirtschaft mitgestaltet haben – vielfach im Rahmen unbezahlter Arbeit. Neu ist, dass Frauen in Führungspositionen bezahlter Arbeit hervorgehoben werden – was allerdings nur wenig am Missverhältnis zwischen Leistungen für die Wirtschaft und Unterrepräsentation von Frauen in bezahlten Top-Entscheidungsfunktionen ändert.

Frauen betonen ist schick, konkrete Maßnahmen für Frauengleichstellung weniger.

Welche Maßnahmen setzt der Wirtschaftskammer-Präsident um diese Faktoren zu ändern?


Nachhaltige Chancen

Wie wäre es mit einem Startschuss für einen Investitionsschub in soziale Infrastruktur?

Da gäbe es viel zu gewinnen:
Ankurbelung der Inlandsnachfrage, mehr Arbeitsplätze in von Frauen gegründeten Unternehmen und damit Wirtschaftswachstum für alle.